Haben Sie schon einmal bei einer Versicherung nachgefragt, wer bei einem Schaden haftet? Die Antwort wird überall die gleiche sein … der/die VerursacherIn. Nicht zutreffen soll das in Zukunft bei der Umwelthaftung. Die Regierung plant ein neues Gesetz, das Betriebe unter gewissen Bedingungen von dieser Haftung frei spricht. Die Sanierungskosten für durch den Betrieb entstandene Schäden müssen dann bspw. nicht bezahlt werden, wenn…
- die zum Schaden führenden Emissionen oder Tätigkeiten von einer Genehmigung gedeckt sind;
- das schädigende Ereignis nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht als wahrscheinlich für einen Schadenseintritt angesehen worden ist;
- der Schaden durch einen Dritten verursacht worden ist und der Betreiber geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat.
Anlassfall (natürlich nicht offiziell, denn es gibt ja keine Anlassgesetzgebung „ggg“) für neuerliche öffentliche Diskussionen über diesen Gesetzesentwurf ist der Fall Raab. Anhand dieses Falles möchte ich die 3 oben genannten Punkte kritisch hinterfragen und deren Umsetzbarkeit in Frage stellen.
- Betriebe müssen für ihre Vorhaben behördliche Genehmigungen einholen. Diese Genehmigungen basieren auf unterschiedlichen Verfahren, wie z.B. einer Umweltverträglichkeitsprüfung, mit der unabhängige Prüfinstitute beauftragt werden. Die Behörde muss das Ergebnis einer Prüfung aber nicht annehmen und kann die Prüfung wiederholen. Das Beispiel des umstrittenen Wasserkraftwerks in Lambach in Oberösterreich. Negative Bescheide zu Wasserrecht und Naturschutz wurden von Landeshauptmann Pühringer und der damaligen OKA ignoriert und der Bau ohne sie begonnen. Die Protest von Umweltschützern (unter denen ich damals auch einen ganzen Winter im Zelt verbracht habe) wurden teilweise gewaltsam niedergeschlagen. Zu guter Letzt erklärte Landeshauptmann Pühringer das Thema zur „Chefsache“ und ließ positive Gutachten ausstellen. Das Kraftwerk wurde gebaut und es wurde damit eine der längsten freien Fließstrecken eines Flusses in Österreich zerstört. Die negativen Gutachten früherer Verfahren spiegeln natürlich eine Wahrheit wieder, die die letztgültige Genehmigung einfach ignorierte.
- Der Stand der Wissenschaft ist zeitlich veränderbar. Eine Erkenntnis von heute kann morgen durch weitere Forschungen verändert oder erweitert sein. Die Wirtschaft selbst lebt von „Entwicklung“ und keiner würde heute behaupten, dass die Computertechnik der 90er heute noch Stand der Technik ist. Genehmigungen müssten also durch neue Verfahren laufend neu beantragt werden, um die Technik auch auf dem neuesten Stand zu halten und neue Erkenntnisse, die ev. zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Schadensfall führen können, einfließen zu lassen.
- Die Schuldlosigkeit bei Verursachung durch Dritte ist an sich ja normal. Im Fall der Raab fällt sie allerdings unter die Rubrik Kuriositäten. Neben den erhöhten Werten in den Abwässern der einzelnen Betriebe kommt nämlich hier noch dazu, dass 3 Betriebe der gleichen Branche hintereinander ihre Abwässer in die Raab leiten. Die Genehmigungen wurden einzeln vergeben, der Schaden entsteht aber (auch) in Summe. Jeder Betrieb könnte sich so also auf die Verursachung durch Dritte ausreden.
Wie so oft entsteht auch bei dieser Gesetzesvorlage wieder der Eindruck, als ob Umweltfragen einfach nicht ernst genommen werden. Politiker versuchen den Spagat zwischen Wirtschaft und Umwelt. Irgendwann müssen sie aber auch zur Erkenntnis kommen, dass wir nicht die Umwelt wirtschaftsverträglicher gestalten können, sondern nur die Wirtschaft umweltverträglicher.
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