Seid etwa 3 Monaten sind wir nun schon zu viert in unserer Familie und unsere Wohnung musste deswegen ein wenig adaptiert werden. Dies gibt mir die Gelegenheit ein wenig über nachhaltiges Leben in der Praxis und über einen häufig vorkommenden Auslöser zu dieser Nachhaltigkeit zu berichten.
Vielleicht zu Beginn ein wenig über die Umbauten in unserer Wohnung voraus geschickt. Unser Schlafzimmer wird, wenn der Kleinste in ein paar Monaten auch in ein eigenes Bett übersiedelt, einfach zu klein und so haben wir beschlossen von unserem Wohnzimmer ein weiteres Zimmer abzuzweigen. Vorausschauend habe ich bereits im April bei meinem Bruder Bedarf angemeldet, als dieser eine Trennwand in seinem Wohnzimmer abgebaut hatte. Das weitere Material bekam ich ebenfalls von seiner Baustelle, als das Haus außen renoviert wurde. Alles Material wurde nicht mehr gebraucht. Ich kann also guten Gewissens von Recycling sprechen. Und so sieht das ganze dann bei uns aus:
Warum ändern Menschen ihren Lebensstil in Richtung „nachhaltig“? Die Antworten auf diese Frage sind vermutlich so umfassend, wie das Thema selbst. Viele werden einen roten Faden in ihrem Leben finden, andere werden Anlass bezogen auf Gegebenheiten oder Medienberichte wie den Klimawandel reagieren. Wieder andere wollen ein Zeichen setzen oder sich öffentlich profilieren. Zu den nachhaltig Nachhaltigen zählen aber bestimmt nur die Ersten und daher möchte ich in einer kleine Reihe deren Gründe beleuchten.
Beginnen möchte ich mit dem Grund ARMUT:
Ina schreibt in ihrem Beitrag zu Barbara Haselboecks Blogparade „Kritisch Konsumieren„:
Es gab kein besonderes Ereignis, das mich zur bewußteren Konsumentin gemacht hatte. Vielleicht haben Phasen mit weniger Einkommen den Blick aufs Sparen und auch aufs Wesentliche geschärft.
Nachhaltig leben heißt Produkte lange benutzen, sie reparieren können und nicht unbedingt jedem Trend, jeder Mode folgen. Bei uns kann Armut Anlass dazu sein, denn man ist plötzlich gezwungen seine Hosen auch nach 2 Jahren noch zu tragen, seinen Computer einmal mehr neu aufzusetzen (vielleicht beim nächsten Mal mit Linux „ggg“) und den Urlaub einmal in der Nähe und im Zelt zu verbringen. Man beginnt Dinge zu reparieren oder selbst zu machen, ungebrauchte Gegenstände wieder aus einem staubigen Versteck hervorzugraben und nach „Weggeworfenem“ zu suchen (wie z.B. abgebaute Trennwände, siehe oben). Aus dieser Kreativität heraus entstehen auch neue Fähigkeiten, die man im günstigsten Fall anderen wieder anbieten kann.
Der Begriff Armut wird bei uns meist mit dem Fehlen monetärer Mittel erklärt. Unter diesem Aspekt sind viele Naturvölker arm, selbst wenn sie es selbst nie so sehen würden. Ihr Leben ist – solange sie es in ihrer natürlichen und traditionellen Umgebung leben können – schon aus Überlebenstaktik nachhaltig. Sie produzieren und wirtschaften in natürlichen Kreisläufen. Ich zeichne hier nicht in sentimentaler Sozialromantik ein Bild von Menschen in der Steinzeit, sondern beziehe mich bspw. auf einige Clans der Huaorani im Yasuni-Nationalpark Ecuadors, die auch heute jeglichen Kontakt mit der Außenwelt ablehnen und sich weit in die unberührten Gegenden des Nationalparks zurückgezogen haben.
Worauf will ich hinaus? Noch einmal zu den Naturvölkern. Selbst in modernen wissenschaftlichen Abhandlungen werden sie noch heute häufig als „primitive Kulturen“ beschrieben. Primitiv steht als Synonym für einfach. Die neue Einfachheit oder „Einfaches Leben“ stehen heute als Synonym für ein Leben nach Nachhaltigkeitskriterien. In Amerika hat sich daraus schon eine ganze Lifestyle-Bewegung, die LOHAS, gebildet. Das Wort primitiv bekommt unter diesem Aspekt für mich also eine ganz neue Bedeutung. Wir orientieren uns wieder an natürlichen Kreisläufen, respektieren die Endlichkeit (als Kontrapunkt zu unserem Gefühl der unendlichen Verfügbarkeit) natürlicher Ressourcen. Natürlich können wir das nicht als Rückschritt sehen, sondern nehmen es als Teil der Entwicklung hin. Wir werden also quasi primitiver, was in unserem Verständnis dann also entwickelt und zivilisiert bedeutet. Noch wehren wir uns aber dagegen und versuchen uns von diesem einfachen Leben frei zu kaufen, indem wir CO2 neutral fliegen oder Auto fahren oder gar eine ganze Tournee CO2 frei gestalten, wie Die Ärzte 2007. Das alte monetäre System lässt uns da noch nicht aus. Doch irgendwann werden auch die Länder, die jetzt als Empfänger dieses CO2-Zertifikat-Kaufs davon profitieren, dass wir unseren Lebensstil nicht aufgeben wollen, keine Flächen für Aufforstungen und keinen Bedarf an Öko-Projekten (selbstverständlich mit unsrer Technologie „gg“) mehr haben. Und dann werden wir auch bei uns selbst beginnen müssen, weil wir Geld ja nicht essen können, wie ein schöner Spruch (der schon lange auf meinem Bus prangt „ggg“) sagt.
Hier schließt sich der Kreis, wir werden arm und primitiv sein und trotzdem glücklich, weil nachhaltig, leben. Die einen beginnen ihren Lebensstil nachhaltiger zu gestalten, weil sie „arm“ sind, die anderen ändern ihn und werden dann „arm“.
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Hmm, allerdings würde ich LOHAS nicht mit einfachem Leben oder einer freiwilligen Einfachheit in Verbindung bringen. Aus meiner Sicht sind LOHAS Konsumenten, aber auf eine gesunde und nachhaltige Art. Es sind eher die LOVOS (wenn man eine weitere Abkürzung ins Spiel bringen), welche den Konsum reduzieren und ein einfacheres Leben suchen.
Du hast recht, Reto. Den Begriff habe ich erst kürzlich bei dir gelesen, ihn aber noch nicht in mein Repertoire übernommen. Das ändert sich jetzt aber. Für alle, die damit nichts anfangen können:
LOVOS steht für Lifestyle of Voluntary Simplicity und steht damit eigentlich genau für die Einfachheit, die ich im Beitrag beschreiben habe.