Stadt für Maschinen

von | Mai 20, 2008 | Landschafts-/Stadtplanung, Mobilität | 1 Kommentar

Städte sind Ansammlungen von Gebäuden in denen Menschen leben und arbeiten und von Wegen dazwischen auf denen sie sich bewegen. Ein Blick auf die heutige städtische Realität zeichnet jedoch ein anderes Bild. In den Gebäuden wohnen und arbeiten immer noch Menschen, doch ist ihre Umgebung geprägt von Maschinen. Der Computer als universelles (Büro)Alltags-Gerät, die Klimaananlage um zu jeder Jahreszeit das gleiche Klima zu schaffen, Elektronische Kalender und jede Menge andere Gadgets um mit anderen Menschen zu kommunizieren oder „zufällige“ Treffen zu organisieren. Diese „Besprechungen“ finden dann in Cafes statt, die als WiFi-Zone markiert sind, um den Anschluss an die „andere“ Welt nicht während einem analogen Treffen zu verlieren und notfalls Informationen beschaffen zu können, die in der Eile vergessen wurden.

Ich möchte hier nun aber auf den Raum eingehen, den die Menschen am wenigsten für sich selbst nutzen können, den sogenannten öffentlichen Raum. Fast täglich fahre ich mit dem Fahrrad (in gewisser Form auch eine Maschine) in die Arbeit. Mangels alternativen, nutze ich dafür die für Autos geplanten Wege und muss mich immer wieder gegen diese Maschinen behaupten. Was für mich dabei aber am erschreckendsten ist, ist die Tatsa he, dass diese Maschinen direkt menschengetrieben sind. Nun will ich hier keine algemeine Klischeedebatte über die männlich gesteuerte Maschine Automobil schreiben, sondern nur ein paar Ereignisse auf einer halbstündigen Fahrt mit dem Rad durch Wien schildern.
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Meine Fahrt beginnt meist um 7:30, eine Zeit, zu der auch viele Andere sich auf den Weg in die Arbeit machen. JedeR versucht den Weg so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Nicht immer, weil er/sie rasch in die Arbeit kommen will, vielmehr weil es sich dabei um eine unbezahlte Reise handelt, die nochdazu, wenn man im Auto sitzt, ungenutzt ist. Es gibt also bereits eine gewisse negative Grundstimmung auf diesem Weg. Nun sitz Mann (vielleicht doch ein paar Klischees untergebracht) in seinem SUV und die Maschine mit 200PS bewegt sich einfach nur im Schritttempo. Jede Ampel reduziert diese Geschwindigkeit zudem gleich noch gegen null und aufgrund der fehlenden Flüssigkeit im „Fließverkehr“ steht man in einer konsequenten Rotphase. Sobald diese leidige Farbe durch Orange auch nur geringfügig aufgehellt wird, springt der Fuß von der Bremse, die er krampfhaft unfreiwillig gedrückt hielt freudig auf das Gaspedal, das er am liebsten schon die längste Zeit sanft gestreichelt hätte. Ein kurzer Blick vorraus: ist die Straße frei für 200 Pferde? Oh schreckt, … der Fuß spingt zurück auf die Bremse, die er kurz zuvor freudestrahlend verlassen hat und gleichzeitig steigt eine unglaubliche Menge an Adrenalin ins Blut. Ein armer Mitmensch ganz ohne Geräte hat sich verspätet auf den Zebrastreifen gewagt und diesen vor dem Eintreten der Rotphase nicht mehr verlassen. Das Hirn versucht den Mund zu bewegen, doch erkennt es gleichzeitig, dass dieser durch die Schallgeschützen Fenster kein hörbares Organ für die Außenwelt ist. Der geübte Fahrer kommt dadurch aber nicht in Verlegenheit. Er kennt seine Maschine und weiß ohne viel Zeitverlust Rat: eine grelle Hupe ertönt und der Mitmensch, in ein Kopftuch gehüllt, erschrickt bis in die Knochen. Ein Kopftuch …. jetzt wird dem Fahrer klar, dass es sich hierbei um eine Wiederholungstäterin handeln muss. Menschen mit Kopftuch machen soetwas immer. Wutentbrannt steigt er noch einmal auf die Hupe und gibt gleichzeitig Gas. Die Frau hat den Zebrastreifen längst verlassen und steht schuldbewusst und zittert auf der Insel, die ihr Schutz bietet, bevor sie die nächste 2 Fahrstreifen überwinden muss. Hinter ihr heulen 200 Pferde auf und laute Musik dröhnt ihr ins Ohr … wenige Sekunden, dann ist auch diese aus ihrem Blickfeld verschwunden.

Der Ärger über diese Form der Kommunikation eines Menschen über seine Maschine mit anderen Menschen lässt auch mich nicht kalt und begleitet mich auf meinem weiteren Weg. Ich verlasse kurz danach die Hauptstraße um über kleine Gassen meinen Weg fortzusetzen. Diese Gassen sind geprägt durch schmale Gesteige, beidseitige Parkplatzreihen und Straßen dazwischen, die das Fahren in nur einer Richtung zulassen. Schon bald spüre ich eine Maschine hinter mir. In der Gewissheit, dass die Straße nicht einmal das Überholen eines Fahrrads zulässt, trete ich in aller Gelassenheit weiter. Als die manngetriebene Maschine hinter mir merklich nervöser wird, erhöhe ich meine Geschwindigkeit im Glauben, dem Drang rasch weiterzukommen helfen zu können. Dies schein jedoch nicht genug zu sein. An einer unmerklich breiteren Stelle braust ein schwarzes Monster auf stelzenhaften Rädern an mir vorbei und ich finde gerade noch in einer Lücke Platz bevor mich der Sog nahezu aus dem Gleichgewicht bringt. Noch außer Atem notiere ich das Kennzeichen des „Dings“ und beschließe bei nächter Gelegenheit eine Anzeige zu machen. Zuerst aber setze ich meinen Weg, der noch immer ein alltäglicher zur Arbeitsstätte ist fort und folge als nächstes einem Wagen des Staraßenverkehrsdienstes, der dabei ist mit viel (Trink?)Wasser die Straße zu säubern. Sein Wasserstrahl macht dabei nichts anderes als den Schmutz der Straße an deren Ränder und die angrenzenden Fußwege zu spülen. Dort leigt er dann, von Stehzeugen verdeckt nur noch für das Fußvolk sichtbar. OK, fairerweise muss man dazu erwähnen, dass das Fahrzeug die Mitte der Straße auch mit einer Bürste säubert und so Staub gebunden wird, wodurch auch die Feinstaubgefahr verringert wird.

Nun geht es eine Berg hinauf. An dieser Stelle wurden die Parkstreifen durch Fahrstreifen ersetzt und die Vierspurigkeit bietet den Maschinen endlcih Gelegenheit so richtig aus sich heraus zu wachsen und die Menschen in der „geplanten“ Geschwindigkeit vorran zu bringen. Mich treibt diese Geschwindigkeit und die daraus resultierende Gefahr auf den angrenzenden Gehweg, der an dieser Stelle auch über 2 Meter breit ist. Schon von weitem erspähe ich einen Polizisten und freue mich, so schnell meine Beschwerde über das vorrangegangen Überholmanöver anbringen zu können. Dabei vergas ich ganz, dass ich in diesem Moment selbst die regeln des gütlichen Zusammenlebens verletzte und unschuldige Fußgänger in Gefahr brachte. (Randbemerkung: Der Polizist war weit und breit der einzige nichtmoterisierte Mensch außer mir auf diesem Gehsteig und sein Auto verhinderte wenige Meter von ihm entfernt nahezu dessen weitere Nutzung.) Reumütig bekannte ich mich sogleich schuldig und verwies nur ganz sachte auf die Gefahr, die in diesem Abschnitt auf der Straße lauerte. Ich erklärte mich zu bessern und das Fahrrad zukünftig zu schieben und bekam dafür dei Absolution. Nun wollte ich noch mein Anliegen anbringen. Doch schon nach den ersten Rückfragen, wurde mir klar, dass ich damit nur Gefahr lief, meine Absolution wieder zu verlieren. (Auszüge: Haben sie Zeugen dafür? Erfüllt ihr Fahrrad auch alle Sicherheitsvorschriften und ist damit für alle Verkehrsteilnehmer sichtbar und als solches erkennbar?).

Ich dankte kurzerhand für das Gespräch und reihte mich in den Fließverkehr ein. Nach knapp 45 Minuten zwängte ich mich durch die letzten Reihen parkender Autos durch und sperrte meine „Maschine“ vor meinem Büro ab. Ich war am Ziel und konnte mich meiner Arbeit widmen, der Suche nach potentielle Firmenpartner für Forschungsprojekte u.a. der Stadt- und Verkehrsplanung.

1 Kommentar

  1. Gernot

    …darum nie klein beigeben – immer schön in der Mitte der Straße fahren! ;-)

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