Zukunftsfähig ohne Systemwandel?

von | Dez 1, 2008 | Nachhaltigkeit, Umweltpolitik | 1 Kommentar

Ist „Nachhaltigkeit“ tot?
Oder wurde sie etwa gar nie mit Inhalten gefüllt? Was ist SIE überhaupt?

Da der Begriff für viele zu bedeutungsleer ist, versucht man ihn zu ergänzen (Nachhaltige Entwicklung), zu ersetzen (Zukunftsfähigkeit) oder beides (nachhaltig zukunftsfähig – geht es denn auch anders?). Die Gebildeten nehmen lieber gleich den englischen Begriff Sustainability. Wenn man den zerlegt, dann bekommt man ability to sustain … und damit sind wir vermutlich genau dort, wo wir hin sollten … die Möglichkeit zu erhalten, fortzusetzen, aufrechtzuerhalten.

Das deutsche Wort „nachhaltig“ wird u.a. auch so übersetzt: „einen starken Eindruck auf längere Zeit bewirkend und hinterlassend“ (Quelle: wiktionary). Damit ist auch klar, warum der Begriff zunehmend missbraucht wird und das auch gut begründet werden kann. Ein Macho wäre diesbezüglich sehr nachhaltig. Er hinterlässt bei vielen einen starken Eindruck und bewirkt auf längere Zeit Resentiments gegen diese Art des Verhaltens. Dass das für mich bspw. sehr negativ ist, steht auf einem anderen Blatt.

Dass ein neues Hybrid.Auto damit nachhaltig ist, steht ebenfalls außer Zweifel, wie eine neuer Schuh mit neuem Konzept vom „amerikanischsten aller Sportartikelhersteller“ (ist das nun postiv oder negativ, oder einfach nur beschreibend?).

Doch wie siehts mit der Zukunftsfähigkeit solcher Produkte aus? In diesem Sinne ist das Wort „zukunftsfähig“ meiner Meinung nach wirklich das bessere. Ist es zukunftsfähig einfach auf „umweltfreundlichere“ Autos umzusteigen? Ich verwende hier ganz bewußt die Steigerungsform, denn von „umweltfreundlich“ kann ja keineswegs die Rede sein. Das Ding wiegt schließlich vermutlich an die 2 Tonnen und wird für 1,3 Personen gebaut (= durchschnittlicher Besetzungsgrad von PKWs). Der Flächenverbrauch für das „Steh“- und Fahrzeug nimmt ebenfalls zunehmend mehr Platz ein und erhöht die Kosten bspw. beim Wohnbau enorm (In Österreich ist es in vielen Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben eine gewisse Anzahl an Parkplätzen für Autos zu schaffen – für Fahrräder, Rollstühle, Kinderwägen, … gibt es keine derartigen Bestimmungen). Der soziale Aspekt ist auch nicht zu unterschätzen, wenn man insbesondere Städte und deren Umgebung für die individuelle Mobiliät mit dem Auto plant. Einkaufszentren am Stadtrand (für ältere Menschen oder Menschen mit eingeschränkter Mobilitätsmöglichkeit unmöglich zu erreichen) und daraus resultierende fehlende Nahversorgung, Schlafdörfer außerhalb der Ballungszentren (wo Menschen aufgrund ihrer langen Wge zum Arbeiten oder Eikaufen oder auch für soziale Kontakte sehr wenig Zeit aktiv verbringen) oder auch erhöhte Gefahren im Stadtbereich sowie das Zurückdrängen von spielende Kindern in eingezäunte „Hochsicherheits“-Spielplätze sind nur einige der Folgen. Der einstmals erwähnte positive Effekt für Gebiete, die von zunehmender Abwanderung bedroht sind, hat sich nie eingestellt. Ganz im gegenteil, profitieren diese Regionen erst jetzt davon, dass man sich auf regionale Besonderheiten besinnt.

Philosophisch ausgedrückt klingt das dann so:

In der Mitwelt ist, versteht und erlebt sich der Mensch als ein stets Mit-Einbezogener. Aus Einbezug entsteht Nähe. Und erst aus Nähe, so lehrt uns schon der Fuchs im Kleinen Prinzen Antoine de St. Exupérys, entsteht Verantwortung. (Quelle: www.lebendige-philosophie.de)

Auch die Diskussion auf Karmakonsum und nachhaltigbeobachtet zeigt, dass durch das bejubeln eines Teilaspekts bei einem Produkt dazu führt, dass die ganze Marke in ein positives Licht gesetzt wird. Es wird zunehmen nicht mehr hinterfragt, wie die gesamte Öko- oder Sustainability-Bilanz aussieht (Life Cycle Assessment – LCA).

Für mich ergibt sich damit die Frage, die ich auch gleich zum Titel des Artikels gemacht habe:

Kann es zu einer nachhaltig, zukunftsfähigen Entwicklung kommen, wenn nicht grundsätzlich ein Systemwandel angestrebt wird?

Die Frage wirkt für viele lähmend. Denn sie stellt grundsätzliche Prinzipien unserer derzeitigen Gesellschaft in Frage (Kapitalismus, Neoliberalismus, Zinswirtschaft, Individualismus, persönliche Freiheit, …). Für mich dagegen wirkt es zunehmend lähmend, wenn kleine Details laufend bejubelt werden und damit die Weltrettung angekündigt wird und dabei ganz vergessen wird, dass der globale Effekt vielleicht minimal ist. Als Beispiel dient mir etwa die angestrebte Steigerung des Biolandbaus an der gesamten Landwirtschaft in Österreich. Hier wird von einer Steigerung von 20% gesprochen. WOw, mag man sich da denken, die Österreicher, die meines ernst. Doch wenn man ein wenig hinter die Zahlen blickt, dann merkt man schnell, wie scheinheilig dieses Ziel ist. Die damaligen Zahlen für die biologisch-ökologische Landwirtschaft in Österreich waren nämlich beschämend: 5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird derart bewirtschaftet. Eine Satiegrung von 20% würde also insgesamt zu einer Erhöhung des Anteils an der Gesamtfläche von 1% (!!!!) führen.

Das klingt nach Spott und Hohn oder einfach nach Wahlkampf.

1 Kommentar

  1. Ralf

    Ich bin fest davon überzeugt, dass der Systemwandel kommen wird. Es kann gar nicht so lange mehr an den Symptomen rumgedoktort werden. Das System basiert auf völlig wahnwitzigen Annahmen, die jedem der ein wenig gesunden Menschenverstand hat die Funktionsfähigkeit bezweifeln müsste. So langsam wird das den Menschen klar :)

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