Ich habe mich schon oft gefragt, warum es so schwierig ist, Dinge, die man nur gelegentlich braucht, mit anderen zu teilen. Autos stehen über 90% der Zeit auf Parkplätzen herum, Werkzeuge werden meist in gut sortierten Schränken oder Kellerregalen gehortet. Ferienhäuser fristen von Alarmanlagen oder gar Wachdiensten gesichert ein einsames Dasein. Wir statten unsere Wohnungen und unser gesamtes Leben mit immer mehr Gütern aus, die die meiste Zeit keine Funktion erfüllen.
Natürlich, es gibt bereits zahllose CarSharing-Initiativen. Time-Sharing kenne ich aus meiner Jugend. da hat man einen Appartement-Typ gekauft/gepachtet und konnte dann weltweit gratis im gleichen Appartement-Typ wohnen. Auch für Werkzeuge gibt es bereits Plattformen oder auch die Baumärkte, die ihr Sortiment teilweise verborgen. Doch in Realität fristen all diese Initiativen ein Schattendasein.
Zur Beantwortung der Frage, warum Teilen so schwierig ist, ist es meist am einfachsten sich selbst zu beobachten. Ich teile mein Auto seit vielen Jahren. Bis vor einem Monat ging das sehr gut. Dann ist das passiert, auf das ich zwar irgendwie vorbereitet war, das aber immer verdrängt wurde und vor dem ich auch etwas furchtvoll davor stand: Ein Fahrer hatte einen Unfall mit Totalschaden. Die Person selbst hat kein Geld, sondern eigentlich selbst Schulden und der aktuelle Wert des Fahrzeuges lässt es eigentlich nicht zu ein Gleichwertiges zu kaufen. Ein ziemlicher Einbruch für mich in Bezug auf das Thema Teilen.
Punkt 1: Der erste Punkt ist damit also benannt. Insbesondere, wenn man selbst etwas besitzt und es mit anderen teilt, trägt man in irgendeiner Form immer die Verantwortung und auch die Last, wenn es darum geht etwas Neues zu besorgen. Im Fall meines Autos sind jedenfalls die Einkünfte durch Kilometergeld und Tagestarif nicht ausreichend gewesen, um Reserven für einen Neukauf anzusparen.
Unser nicht enden wollendes Besitzdenken, das durch den überbordenden kapitalistischen Glauben der letzten Jahre ins nahezu endlose ging trägt auch seinen Teil bei.
Punkt 2: Wenn man Dinge privat kaufen will, dann gibt es vielfältige Finanzierungsmöglichkeiten. Entweder man greift gleich zum Günstigsten (ein freilich sehr kurzfristiges Denken, das bspw. bei Werkzeug oft schon beim ersten ordentlichen Einsatz zu größtem Frust führt) oder man greift auf die vielfältigen Möglichkeiten von Leasing bis Kredit zurück. Die Kosten steigen dadurch natürlich oft ins unermessliche, aber sie sind auf lange Zeit verteilt und man kann sich so gut darüber hinwegtäuschen. Wenn man etwas gemeinschaftlich anschaffen will, dann hilft die Krücke des Vereins. In Österreich eine beliebte Methode. Daher gibt es auch zahllose dieser Konstrukte und man sagt dem/r gemeinen ÖsterreicherIn nach, dass er/sie Mitglied in mindestens 10 Vereinen sei. In Vereinen selbst tragen meist von einer Generalversammlung gewählte Personen das Risiko. Von einem (privaten) Werkzeugverein habe ich noch nichts gehört (bin aber fast sicher, dass es auch so etwas gibt).
Grundsätzlich ist über das Konstrukt des Vereins also viel möglich. Schwierig wird es für die meisten aber dann, wenn es um Versicherungen geht. Bei meinem privaten CarSharing war es schon schwierig einen Schutzpass von einem Autofahrerclub zu bekommen. Beim VCÖ wurden wir dann fündig. Die Versicherung dort läuft auf das Fahrzeug, nicht auf die Person.
Punkt 3: rechtliche Rahmenbedingungen fördern Teilen nicht. Es gibt bestimmt für alle Formen des Teilens eine Lösung. davon bin ich überzeugt. Doch gefördert wird das nicht. Eine Förderung wäre, die zahlreichen Vorteile des Teilens zu begünstigen. Bleiben wir beim Beispiel Auto (nicht weil es mein Lieblingsgegenstand ist, sondern, weil sich viele Dinge daran gut demonstrieren lassen): In vielen, meist städtischen, Bereichen gibt es Kurzparkzonen, in denen nur Bewohner länger stehen bleiben dürfen. Dafür müssen diese meist monatliche Gebühren zahlen. Wenn sich nun 5 BewohnerInnen zusammenschließen und nur ein Auto besitzen, dann können sie einen derartigen Parkplatz nur nutzen, wenn eineR der 5 der/die BesitzerIn des Fahrzeuges ist. Als Verein ist das meines Wissens nach nicht möglich. Eine Förderung könnte also sein, dass „geteilte“ Fahrzeuge von den Parkgebühren befreit werden.
Teilen ist grundsätzlich eine schöne Sache. Gerade zu Weihnachten wird Teilen im Sinne von Schenken hoch gehalten. Teilen lässt einen großzügig erscheinen. Gleichzeitig verbindet man mit dieser Form des Teilens immer auch ein wenig die Begriffe Barmherzigkeit und Güte.
Punkt 4: Teilen ist in unserer Gesellschaft nicht anerkannt. Vielmehr haftet ihm nicht selten der Ruf der (finanziellen) Schwäche an: Man kann sich die Dinge alleine nicht leisten. Der Individualismus unser Zeit führt dazu, dass alle alles zu jeder Zeit zur Verfügung haben müssen. Sich auf einer Plattform oder in einem gemeinsamen Raum zu Informieren, ob etwas Geteiltes gerade verfügbar ist, ist da nicht drin. Im Ferienhaus im Grünen möchte ich nicht das Gefühl haben, dass vorher Andere dort waren, oder gar gleichzeitig mit Ihnen die Küche teilen müssen.
Besitz kennt bei uns nahezu keine Grenzen. Wirklich bedenklich wurde das Ganze in den neunziger Jahren als Patente bspw. auf medizinische Wirkstoffe, die natürlich vorkommen, vergeben wurden. Furore machte dabei wohl die Pflanze Ayahuasca für die bereits in den achziger Jahren ein US-Patent vergeben wurde. Dieses wurde später aufgehoben und die Pflanze als geistiges Eigentum indigener Kulturen deklariert.
Punkt 5: teilen ist eng mit der Verfügbarkeit von Wissen und Information verknüpft. Viele Entwicklungen werden durch Patentierung und strikte Lizenzvergabe eingeschränkt oder sogar behindert. Wissen wird zunehmend als Machtinstrument verwendet. Gleichzeitig ermöglicht es die (Informations) Technologie zunehmends, Informationen zu bekommen und auch zur Verfügung zu stellen. Wie weit das gehen kann und wie die Mächtigen darauf reagieren hat Wikileaks 2010 wohl allzu deutlich gezeigt.
Teilen führt meiner Meinung nach zu vielen positiven Effekten. Heute ist man sehr darauf bedacht, dass das Eigene, das Private nicht beschädigt oder entwendet wird. Im Gegensatz dazu betrachtet man das Öffentliche als frei verfügbar. Teilen führt dazu, dass man mit anderen Augen auf die Dinge sieht. Wenn ich etwas nicht alleine besitze, dennoch aber als Teil eines Vereins oder einer Gemeinschaft benutzen kann, dann passe ich darauf auf, als ob es mir gehört und erwarte auch von den Anderen einen verantwortungsvollen Umgang damit. Aus heutiger Sicht ist das vielleicht nicht so verständlich, denn viele werden Mitglieder in einem Verein, um etwas nutzen zu können. Gleichzeitig sehen sie sich aber nicht als Besitzer dessen, was sie nutzen. Genau in diesem Spannungsverhältnis befindet sich aber der oft verantwortungslose Umgang mit Dingen. Dahinter steckt oft nicht einmal eine Absicht. Vielmehr ist es das Gefühl, dass man nur im Verhältnis seines (finanziellen) Beitrags für die Dinge verantwortlich ist. Wenn ich also Mitglied eines Vereins bin, der Werkzeuge an seine Mitglieder gegen eine geringe Leihgebühr vergibt, dann sehe ich das Werkzeug im Wert dieser Leihgebühr. Wenn ich aber zu Beginn einen großen Betrag für all das verfügbare Werkzeug zahlen muss und klar ist, dass ich im Falle eines Schadens ein gleichwertiges Neues/Gebrauchtes kaufen muss, dann benutze ich es, wie mein Eigenes. Natürlich gibt es da viele Dinge zu diskutieren, wie Zeitwert und Schuldfrage (wenn ich ein Werkzeug benutze, das vorher intensiv benutzt und vielleicht nicht gut gewartet wurde, dann bin ich für einen Schaden vielleicht gar nicht verantwortlich). Genau diese Fragen müssen für eine gutes Funktionieren geklärt werden, die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es braucht dazu ein förderndes Regelwerk. Ich bin zu wenig Jurist, um im Detail dieses Regelwerk erahnen zu können. Aber dafür gibt es sicher Spezialisten. Es braucht einen politischen Willen, eine Wiederbelebung der Allmende.
Warum dieses Thema für mich gerade spannend ist, hat natürlich auch seinen Anlassfall:
Einerseits gestalte ich an einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt mit und wir werden uns mit dem Thema Teilen intensiv auseinandersetzen müssen. Vermutlich hat keiner von uns wirklich viel praktische Erfahrung damit, denn unsere Generationen sind mit den Begriffen Eigentum und Besitz aufgewachsen. Viele denken sich vermutlich, dass ihr Besitzdenken eh nicht so ausgeprägt ist, dass ihnen teilen schwer fällt. Ich bin aber überzeugt, dass das Konzept des Teilens heute ein anderes ist.
Andererseits ist mir nach dem durch einen Unfall verursachten Verlust meines Fahrzeuges (eines Wohnmobils) bewusst geworden, dass ich dieses wie eine Hütte oder ein Ferienhaus gesehen habe, in das (bzw. in diesem Fall mit dem) ich zur Erholung aus der Stadt raus fahren konnte. Als Ersatz für die Weihnachtsferien habe ich mich auf die Suche nach einer Hütte gemacht und bin kläglich gescheitert. Dabei kam mir der Gedanke, dass man eine Hütte in den Bergen mit vielen Menschen teilen könnte. Sprich, man gründet einen Verein mit dem Zweck der Anschaffung und Nutzung einer Hütte. Die Zahl der Mitglieder ergibt sich aus dem Preis der Hütte (und damit aus den finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Mitglieder) und der erwünschten Intensität der Nutzung. Wichtig ist mir dabei, dass man eben nicht einfach Mitglied in einem Verein wird und dann eine Hütte nutzen kann, sondern, dass man diese Hütte als sein Eigentum als Teil eines Vereins sieht mit allen Konsequenzen, die sich aus der Nutzung ergeben.
Ich sehe hier schon ein kleines Projekt wachsen ;-)
Ergänzung (23.1.2011):
Gerade habe ich ein spannendes Video von Rachel Botsman gefunden. Sie leitet darin ein neues Zeitalter von Collaborative Consuption ein. Vielleicht braucht unsere Gesellschaft ja einfach den begriff Konsum statt Teilen ;-)
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