Brauchen wir eine zweite Krise?

von | Jun 29, 2011 | Systemwandel | 2 Kommentare

Natürlich ist diese Frage grundsätzlich mit Nein zu beantworten. Aber nicht, weil ich eine Krise problematisch finde, sondern weil wir meiner Meinung nach durch die erste Krise gar nie wirklich durchgekommen sind. Die Erholungsrufe im letzten Jahr mit wieder steigenden Wachstumsraten waren ein Echo aus einer vergangenen Zeit, das gezeigt hat, dass insbesondere viele Wirtschaftstreibende und Ökonomen die Krise selbst vollkommen anders -um nicht zu sagen falsch – bewertet haben als beispielsweise ATTAC oder weitblickende, nicht kapitalistisch geblendete Ökonomen.

„Eine Krise besteht darin, dass das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann.“, hat der große Philosoph und Schriftsteller Antonio Gramsci bereits um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gesagt.

Ich denke, besser kann man die derzeitige Situation nicht beschreiben. In Griechenland werden die gleichen Methoden gefordert, wie sie IWF, Währungsfond und all die anderen Proponenten immer wieder fordern: vereinfacht Privatisierung und Steuern rauf.

Heute muss das griechische Parlament darüber entscheiden, ob es dieser Strategie zustimmt. Gleichzeitig werden hunderttausende Menschen auf der Straße protestieren. Menschen, denen insbesondere die österreichischen Medien nachsagen, dass sie realitätsfern sind, dass sie ihre Schuld an der Krise nicht anerkennen wollen. Dabei zeigen die Proteste in ganz Europa, die insbesondere von Spanien ausgehen ganz deutlich, dass dieser Protest quer durch alle Bevölkerungsschichten geht und sich eindeutig gegen ein System richtig, das durch die Forderungen, die jetzt an Griechenland gestellt werden, nie in Frage gestellt wird.

Was wird passieren, wenn Griechenland seine staatlichen Betriebe privatisiert? Wer werden die KäuferInnen sein? Wer die GewinnerInnen des Verkaufs? in einem System, in dem 18% angeben, dass sie Bestechungsgelder zahlen (laut Transparency International – Übrigens werden auch für Österreich 10% angegeben!!). Sitzen die potentielle zukünftigen Käufer nicht gerade eben in zentralen Positionen in genau den Institutionen, die die Privatisierung so sehr vorantreiben und quasi als Allheilmittel für die Sanierung von Staatshaushalten sehen? Vielleicht bin ich ja ein wenig naiv, aber mir kommt dabei immer wieder die Frage auf, wieso dann in einer Krise wie 2008 die Staaten den vorher privatisierten Banken (die Bank Austria in Österreich ist doch so eine, oder?) unter die Arme greifen müssen, wenn Privatisierung eine Lösung ist. Klar hört man von vielen Seiten, dass das ganze Finanzsystem daran hängt und die Rettung der Bank zu unser aller Nutzen ist. Doch die ganze Komplexität dahinter und ob das System grundlegend überhaupt noch richtig ist, kann mir niemand schlüssig erklären. Ein Ökonom der Wirtschaftskammer hat mir einmal gesagt, dass unsere Volkswirtschaften einfach nur ein riesengroßer Feldversuch sind, der bereits ein wenig (??) aus den Fugen geraten ist. Die Meisten erkennen den „Versuch“ darin schon gar nicht mehr, sondern betrachten das System als „einzige Realität“. Versuche haben im Gegensatz zur Realität grundlegend einen Anfang und meist auch ein Ende und sie müssen reproduzierbar sein um zu Ergebnissen zu kommen. In diesem Sinne sehe ich den „Versuch Kapitalismus“ als gescheitert an und kann die Anfangs gestellte Frage nur noch einmal mit NEIN beantworten: Es gibt keine zweite Krise. Wir stecken noch immer tief in der ersten Krise von 2008 drinnen und müssen es endlich zulassen, dass das Neue geboren werden kann.

2 Kommentare

  1. Michael

    Danke für den schönen Artikel. Ich glaube es ist schon vielen klar, dass das was im Moment passiert nicht die Lösung ist. Ab da gibt es halt 2 Punkte:
    1. Machterhalt
    2. Plan B?

    1. spricht für sich, bei Punkt 2 gibt es wohl große Leere!!!

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    • roland

      @michael … du bringst es auf den Punkt.
      Was wird nun in Griechenland passieren, nachdem das Parlament ganz offensichtlich gegen viele Stimmen aus dem Volk gestimmt hat und damit Plan A weiterfährt? Machterhalt? Mit welchen Mitteln? Es ist echt schockierend.
      Es kocht einem zunehmend Wut im Bauch und dennoch ist es schön zu sehen, dass überall der Ruf nach einem friedlichen Wandel ganz laut ist darüber berichten die Medien natlich nicht, denn für sie zählt nur Blut und Gewalt. Sie sind Teil dieses Systems!!

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